Duft der Verwesung: Die Titanenwurz blüht nur äußerst selten und verströmt dabei einen intensiven Aasgeruch. Nun haben Pflanzenbiologen die Substanzen gefunden, die für diesen ungewöhnlichen Gestank verantwortlich sind. Dabei identifizierten sie auch eine zuvor unbekannte Duftkomponente und enthüllten den Entstehungsprozess der Geruchsstoffe. Zudem fanden sie heraus, wie und warum sich der riesige Blütenstiel der „Leichenblume“ vor dem Erblühen erwärmt – ein ungewöhnliches Phänomen bei Pflanzen.
Die auf der indonesischen Insel Sumatra beheimatete Titanenwurz (Amorphophallus titanum) ist für ihre seltene Blüte bekannt. Denn die Blume aus der Familie der Aronstabgewächse blüht nur alle fünf bis sieben Jahre, meist ziemlich plötzlich über Nacht und nur wenige Tage lang. Dabei verströmen die tiefrote Blüte und ihr grünlicher Blütenstiel einen stechenden, schwefeligen Geruch, der bestäubende Insekten wie Fliegen und Aaskäfer anzieht. Weil der Blütenduft an verrottendes Fleisch und Fisch erinnert, wird die Pflanze auch als Leichenblume bezeichnet.
Warum wird der Blütenstiel der Titanenwurz warm?
Wie die Titanenwurz ihren üblen Geruch erzeugt und welche Duftstoffe er enthält, war jedoch bisher nur teilweise bekannt. Ein Rätsel war auch ein weiteres ungewöhnliches Phänomen der Leichenblume: Kurz vor dem Erblühen erwärmt sich ihr zentraler Blütenstiel. Der bis zu 3,50 Meter hohe, kegelförmige Spadix wird dabei um bis zu elf Grad Celsius wärmer als die Umgebungstemperatur. Eine solche aktive Wärmeerzeugung ist bei Tieren gängig, für Pflanzen aber sehr ungewöhnlich.
Welche biochemischen und genetischen Mechanismen hinter der Wärmeproduktion und dem Aasgeruch der Titanenwurz stecken, haben nun Forschende um Alveena Zulfiqar vom Dartmouth College in den USA genauer untersucht. Sie entnahmen dafür Gewebeproben einer 21 Jahre alten Leichenblume namens Morphy, die im Gewächshaus des Dartmouth College steht. Als diese Blume 2016 blühte, sammelten sie über drei Nächte hinweg insgesamt neun Proben von verschiedenen Stellen des Spadix.
„Die Blüten sind selten und auch kurzlebig, so dass wir nur ein kleines Zeitfenster hatten, um diese Phänomene zu untersuchen“, erklärt Seniorautor Eric Schaller, ebenfalls vom Dartmouth College. Das Team untersuchte zunächst, welche chemischen Moleküle in diesen Titanenwurz-Proben vorkamen.
Aasgeruch dank schwefelhaltiger Substanzen
Die chemischen Analysen bestätigten, dass die intensive Duftmischung wie zuvor vermutet aus verschiedenen Schwefelverbindungen besteht: „Die wichtigsten Geruchsstoffe der Titanenwurz sind Dimethyldisulfid und Dimethyltrisulfid“, berichten die Biochemiker. Die gleichen Sulfide geben auch verwesende Leichen ab, was den charakteristischen Aasgeruch der Titanwurz erklärt.
Um herauszufinden, wie diese Duftstoffe genau entstehen, isolierte das Team während einer späteren Blütezeit von Morphy weitere Gewebeproben aus der Pflanze und ermittelte mittels Massenspektrometrie deren Gehalt an verschiedenen Aminosäuren. Das erlaubt Rückschlüsse auf die aus diesen Substanzen hergestellten Moleküle.
Demnach enthält die Blüte der Titanenwurz zu Blühbeginn hohe Konzentrationen der schwefelhaltigen Aminosäure Methionin, vor allem an der Spadixspitze. Aus dieser Aminosäure erzeugt die Pflanze dann schwefelbasierte Substanzen wie Dimethyldisulfid und Dimethyltrisulfid, die bei Erwärmung leicht verdampfen und stechende Gerüche erzeugen. Damit hat das Team die Vorstufe dieser Duftstoffe identifiziert.
Putrescin sorgt für den fischigen Geruch
Darüber hinaus entdeckten die Forschenden in den Proben vom Spadixrand der Titanenwurz überraschend hohe Konzentrationen einer weiteren Aminosäure: Arginin. Aus dieser kann die organische Verbindung Putrescin entstehen – ein flüchtiger Geruchsstoff, der in toten Tieren vorkommt, wenn diese zu faulen beginnen. Folgeanalysen bestätigten, dass auch die Leichenblume Morphy diese fischig riechende Substanz während der Blütezeit produziert.
Diese Ergebnisse bestätigen nicht nur die vermutete Mischung aus Schwefelverbindungen als Aasgeruch-Urheber, sondern identifizieren mit Putrescin zudem eine weitere, zuvor unbekannte Komponente der Duftmischung der Leichenblume. Zusammen sorgen diese Moleküle demnach für den penetranten Gestank der Titanenwurzblüte.
Wärmeproduktion wie bei Tieren
Um auch der Wärmeproduktion auf die Spur zu kommen, extrahierten die Forschenden die RNA aus dem Blütengewebe und sequenzierten diese, um herauszufinden, welche Gene zur Blütezeit in den Pflanzenzellen aktiv waren. „So können wir sehen, welche Gene exprimiert werden und welche spezifisch aktiv sind, wenn sich der Spadix erwärmt und Gerüche aussendet“, sagt Schaller.
Diese RNA-Analysen ergaben, dass während des Erblühens im Blütenstiel verstärkt solche Gene abgelesen wurden, die für die Produktion sogenannter alternativer Oxidasen verantwortlich sind. Diese Enzyme ähneln einer Gruppe von Proteinen, die im braunen Fettgewebe von Tieren vorkommen. Dort unterbrechen sie in den Mitochondrien der Zellen den Speicherprozess von chemischer Energie, woraufhin diese Zellen ihre Energie verstärkt als Wärme abgeben.
Der Nachweis der Oxidasen legt nahe, dass die Titanenwurz einen ganz ähnlichen Mechanismus für ihre Wärmeerzeugung nutzt. In der Leichenblume scheint es demnach Entkopplungsproteine wie bei Tieren zu geben, die die Thermogenese des Blütenstiels ermöglichen, schließen die Forscher. Besonders aktiv waren diese Gene zu Blühbeginn und an der Spadixspitze.
Verströmen warme Blüten intensiveren Geruch?
Dass die Pflanze ihren Blütenstiel erwärmt, könnte ihr dabei helfen, ihre Duftstoffe schnell herzustellen und effektiv zu verbreiten, vermutet das Team. Beim Erblühen der Titanenwurz aktiv waren aber auch solche Gene, die am Transport und Stoffwechsel von Zucker, Aminosäuren und Schwefel beteiligt sind, wie die RNA-Analysen zeigten. Das könnte erklären, woher die Thermogenese ihre Energie nimmt, und passt zugleich zu der Beobachtung, dass der freigesetzte Geruch der Stinkeblume auf flüchtige Schwefelverbindungen zurückgeht, die aus Aminosäuren hergestellt werden.
In Folgestudien wollen Zulfiqar und ihre Kollegen nun herausfinden, ob Leichenblumen, die zusammen untergebracht sind, ihr Erblühen synchronisieren, um gemeinsam den Geruchspegel zu erhöhen und noch mehr Bestäuber anzulocken. (PNAS Nexus, doi: 10.1093/pnasnexus/pgae492)
Quelle: Dartmouth College